Business Crime 2025

1 Allgemeine Strafverfolgung

1.1 Welche Behörden können Wirtschaftsstraftaten verfolgen, und gibt es auf nationaler und regionaler Ebene unterschiedliche Vollzugsbehörden?

Wirtschaftsdelikte sind in erster Linie strafrechtlich geregelt und werden von der Staatsanwaltschaft (StA) oder der spezialisierten Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) verfolgt.

Daneben gibt jedoch auch andere Behörden, die für die Verfolgung von Straftaten im Bereich der Wirtschaftskriminalität zuständig sein können, wie z.B. die Finanzstrafbehörden bei bestimmten Finanzdelikten.

Das österreichische Strafgesetzbuch (StGB) unterscheidet dabei zwischen Straftaten, die von Amts wegen zu verfolgen sind (Offizialdelikte) und Straftaten, bei denen das Opfer die Strafverfolgung ermächtigen muss (Ermächtigungsdelikte) oder bei denen das Opfer selbst Anzeige erstatten muss (Privatanklagedelikte). Die meisten Straftaten werden jedoch von Amts (ex officio) wegen verfolgt.

1.2 Wenn es mehrere Vollzugsbehörden gibt, wie wird dann entschieden, welche dieser Behörden für die Ermittlungen und die Strafverfolgung in der betreffenden Sache zuständig ist?

An jedem Landesgerichts für Strafsachen ist auch eine Staatsanwaltschaft eingerichtet.  Diese Staatsanwaltschaften sind für die Ermittlungen und die Strafverfolgung im Zuständigkeitsbereich dieser Straflandesgerichte sowie in den dem Straflandesgericht unterstellten Bezirksgerichten zuständig, wo sie von Bezirksstaatsanwälten vertreten werden können. Die meisten dieser Bezirksstaatsanwälte sind jedoch keine ausgebildeten Juristen, sondern speziell geschulte Beamte.  Bezirksstaatsanwälte bearbeiten nur Straftaten mit geringem Strafmaß.

Vor etwa 15 Jahren wurde eine speziell für Korruption und Wirtschaftskriminalität zuständige Staatsanwaltschaft eingerichtet: die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftskriminalität und Korruption (WKStA).  Sie ist u.a. für schwere Amts- und Korruptionsdelikte sowie für Wirtschafts- und Finanzdelikte mit einem Schaden von mehr als 5 Millionen Euro zuständig. Soweit besondere wirtschaftliche Kenntnisse für die wirksame Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen erforderlich erscheinen, kann die WKStA den Fall von der Staatsanwaltschaft übernehmen.

Die Staatsanwaltschaft ist für die Einleitung von Strafverfahren sowie für Ermittlungen, Anklageerhebung oder die Einstellung von Ermittlungsverfahren zuständig.  Bei ihren Ermittlungen werden die Staatsanwälte von der Kriminalpolizei unterstützt.  Einige Ermittlungsmaßnahmen bedürfen jedoch einer richterlichen Genehmigung.

1.3 Können mehrere Behörden gleichzeitig ermitteln und vollstrecken?

Da die Staatsanwaltschaft allein die Ermittlungen in Strafverfahren führt, sind Ermittlungen mehrerer verschiedener Behörden in derselben Sache nicht möglich.

Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft das alleinige Ermittlungs- und – mit Ausnahme der Privat- und Nebenklage – auch das Anklagemonopol hat. Die Kriminalpolizei, die der Staatsanwaltschaft gegenüber berichtspflichtig ist und deren Weisungen zu folgen hat, darf jedoch bestimmte Fälle auch von sich aus, ohne unmittelbare Einschaltung der Staatsanwaltschaft, ermitteln. Ein Ermittlungsverfahren darf gegen den Willen der Staatsanwaltschaft weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.

Bei Zuständigkeitskonflikten zwischen mehreren Staatsanwälten entscheidet entweder der Oberstaatsanwalt oder andernfalls die Generalprokuratur.

1.4 Gibt es eine zivil- oder verwaltungsrechtliche Verfolgung von Wirtschaftsdelikten? Wenn ja, welche Behörden sind für die zivilrechtliche Durchsetzung zuständig und welche Straftaten bekämpfen sie?

Ein Opfer kann sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anschließen und/oder eine Zivilklage einreichen.  Wird ein Zivilprozess gewonnen, kann der zugesprochene Betrag gegen den Beklagten vollstreckt werden.

In Strafverfahren können die Strafverfolgungsbehörden Beschlagnahmen anordnen oder Konten einfrieren.  Opfer von Straftaten haben das Recht auf Akteneinsicht und können diese Informationen verwenden.

Zur Sicherung von Forderungen sieht das österreichische Recht die Möglichkeit vor, einstweilige Verfügungen zu beantragen.

Es gibt verschiedene Verwaltungsbehörden, die je nach Bereich, in dem der Verstoß begangen wurde, Verwaltungsstrafen verhängen können.

1.5 Gab es im letzten Jahr in Österreich größere und nennenswerte Entscheidungen im Zusammenhang mit Wirtschaftskriminalität?

Einer der bemerkenswertesten Fälle von Wirtschaftskriminalität in Österreich in den letzten Jahren war wohl der sogenannte „BUWOG-Skandal“.  Nach drei Jahren Prozessdauer wurde im Dezember 2020 ein ehemaliger österreichischer Finanzminister – als einer von mehreren Angeklagten – zu acht Jahren Haft verurteilt (die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; es läuft das Rechtsmittelverfahren).  Gegenstand des Verfahrens war u.a. der Vorwurf der Korruption im Zusammenhang mit Millionenzahlungen im Rahmen der Privatisierung von Bundeswohnungen.

Ein weiterer Fall, der über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde, war die so genannte „Ibiza-Affäre“, in die Politiker einer späteren Regierungspartei verwickelt waren, darunter auch der Vizekanzler, der zu diesem Zeitpunkt allerdings nur Mitglied des Nationalrats war. In einem heimlich aufgezeichneten Video wurden diese Personen in einer Villa auf Ibiza mit einer angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen gefilmt, gegenüber der sie u.a. ihre Bereitschaft zur Korruption und zur heimlichen Übernahme unabhängiger Medien zeigten. Der Skandal führte zum Rücktritt der beteiligten Politiker von ihren politischen Ämtern und innerparteilichen Funktionen sowie zum Ende der Regierungskoalition. Es wurden Ermittlungen wegen mehrerer wirtschaftsstrafrechtlicher Delikte geführt.

Ein weiterer aktueller und prominenter Fall, der das öffentliche Interesse geweckt hat, ist der Fall Sophie Karmasin. Karmasin ist eine der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) nahestehende Meinungsforscherin, die in erster Instanz zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt wurde, weil sie angeblich zwei Konkurrenten dazu ermutigt haben soll, Scheinangebote für drei Studien für das Sportministerium abzugeben, um selbst den Auftrag zu erhalten. Karmasin wurde – nicht rechtskräftig – wegen wettbewerbsbeschränkender Absprache verurteilt. Dieses Urteil gilt als Startschuss für die gerichtliche Aufarbeitung einer Reihe von Prozessen, die im Zusammenhang mit der sogenannten „Inseratenaffäre“ der Österreichischen Volkspartei stehen. Im Jahr 2024 wurde der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz wegen Falschaussagen in einem Untersuchungsausschuss zu einer bedingten Haftstrafe von acht Monaten verurteilt (noch nicht rechtskräftig). Darüber hinaus ging einer der reichsten Personen Österreichs in diesem Jahr in Konkurs. In diesem Zusammenhang leitete die WKStA Ermittlungen ein, unter anderem wegen des Verdachts auf Betrug. Es bleibt abzuwarten, ob und wenn welche Anklagen erhoben werden.

2 Gerichtsorganisation

2.1 Wie sind die Strafgerichte in Ihrem Land aufgebaut? Gibt es spezialisierte Strafgerichte für bestimmte Straftaten?

In erster Instanz entscheidet entweder ein Bezirksgericht oder ein Landesgericht.  Die Bezirksgerichte sind für alle Straftaten zuständig, für die eine bloße Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von höchstens einem Jahr angedroht ist.  Die Landesgerichte sind für alle Vergehen und Verbrechen zuständig, für die eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr angedroht ist, sowie – unabhängig von der Strafandrohung – für bestimmte im Gesetz genannte Straftaten (z. B. gefährliche Drohung).

Während die Fälle vor den Bezirksgerichten immer von einem Einzelrichter entschieden werden, gibt es bei Verfahren vor den Landesgerichten verschiedene Zusammensetzungen.  Straftaten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit einer Mindeststrafe von mehr als fünf Jahren und zusätzlich mit einer Höchststrafe von mehr als zehn Jahren bedroht sind, sowie andere im Gesetz genannte besondere Straftaten (z. B. politische Straftaten), werden vor einem aus drei Berufsrichtern und acht Laienrichtern, den Geschworenen, bestehenden Spruchkörper (Geschworenengericht) entschieden. Straftaten, die mit einer Mindeststrafe von mehr als fünf Jahren bedroht sind und nicht in die Zuständigkeit des Geschworenengerichts fallen, sowie im Gesetz genannte Straftaten (z. B. Unterschlagung, schwerer Betrug – wenn ein bestimmter Schadensbetrag überschritten wurde oder die Absicht bestand, diesen zu überschreiten), werden vor einem Spruchkörper verhandelt, der aus einem oder zwei Richtern und zwei Laienrichtern, den Schöffen, besteht (Schöffengericht).  Andere Straftaten werden von einem Einzelrichter entschieden.

Spezielle Strafgerichte für bestimmte Straftaten gibt es hingegen nicht.

In zweiter Instanz sind, je nachdem, welches Gericht in erster Instanz zuständig war und welche Art von Rechtsmittel eingelegt wurde, die Oberlandesgerichte und/oder der Oberste Gerichtshof zuständig.

2.2 Gibt es ein Recht auf ein Geschworenengericht in Wirtschaftsstrafverfahren?

Nach österreichischem Recht gibt es kein grundsätzliches Recht des Angeklagten auf ein Geschworenenverfahren.  Wie bereits erwähnt, kann je nach angedrohter Strafe oder angeklagter Straftat ein Schwurgerichtsverfahren (entweder Geschworenengericht oder Schöffengericht) obligatorisch vorgesehen sein.

Wegen der möglichen Höchststrafen werden Wirtschaftsstrafsachen im Allgemeinen nur selten vor Geschworenen verhandelt. Stattdessen werden sie in der Regel vor einem Schöffengericht verhandelt, das sich aus Richtern und Schöffen zusammensetzt.

2.3 Wenn es Geschworenengerichte gibt, bestehen sie dann nur aus Bürgern oder auch aus professionellen Juristen?

In schwerwiegenderen Fällen setzt sich das Gericht aus Berufsrichtern einerseits und Laienrichter andererseits zusammen. In dieser Hinsicht kann zwischen Geschworenengerichten und Schöffengerichten unterschieden werden. Geschworenengerichte bestehen aus insgesamt elf Richtern – davon sind acht Geschworene und drei Berufsrichter. Ein Schöffengericht entscheidet in der Regel in kleiner Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen. In bestimmten (seltenen) Fällen entscheidet das Schöffengericht in großer Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen. Schöffen und Geschworene sind Bürger, können aber auch Juristen sein. Richter, Staatsanwälte, Notare, Rechtsanwälte und Anwärter dieser Berufe dürfen jedoch nicht als Schöffen und Geschworene tätig werden.

3 Auswahl an besonderen Straftaten

3.1 Beschreiben Sie alle Vorschriften/Gesetze, die in Ihrem Rechtssystem üblicherweise zur Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten verwendet werden, einschließlich ihrer jeweiligen Tatbestandsmerkmale und dem erforderlichen Geisteszustand des Beschuldigten:

  • Wertpapierbetrug
    Nach österreichischem Strafrecht begeht einen Betrug, wer jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Duldung, Handlung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt und dabei den Vorsatz hat, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der getäuschten Person unrechtmäßig zu bereichern.Im Zusammenhang mit Wertpapierbetrug ist jedenfalls auch das österreichische Börsegesetz 2018 (BörseG 2018) zu erwähnen.  Dieses regelt die Verwaltungsübertretung des Missbrauchs von Insiderinformationen und der Marktmanipulation sowie die gerichtlich strafbare Marktmanipulation.
  • Buchhaltungsbetrug
    Während die Straftatbestände des Bilanzbetrugs in Österreich lange Zeit auf mehrere Gesetze (z.B. Aktiengesetz, GmbH-Gesetz) verteilt waren, wurden sie 2016 in das Strafgesetzbuch aufgenommen.Entscheidungsträger und Bevollmächtigte machen sich u.a. strafbar, wenn sie die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage eines Unternehmens durch falsche oder unvollständige Angaben – z.B. im Jahresabschluss oder auf der Hauptversammlung – falsch darstellen und dadurch ein erheblicher Schaden (für das Unternehmen, die Aktionäre, die Gläubiger usw.) entstehen kann.
  • Insiderhandel
    Die missbräuchliche Verwendung von Insiderinformationen stellt sowohl eine Verwaltungsübertretung als auch eine Straftat dar.  Die einschlägigen Bestimmungen finden sich im österreichischen Börsegesetz 2018 (BörseG 2018). So ist es strafbar, Insiderinformationen für sich oder einen Dritten auszunutzen.  Dies kann durch den Kauf und Verkauf von Wertpapieren, die Änderung oder Stornierung von Handelsaufträgen, die Empfehlung von Wertpapieren oder die Weitergabe der Information an Dritte erfolgen.
  • Veruntreuung
    Das österreichische Strafrecht unterscheidet zwischen zwei Arten der Veruntreuung („Untreue“ und „Veruntreuung“).“Untreue“ wird begangen, wenn jemand wissentlich seine Verfügungsbefugnis missbraucht bzw. einen anderen dazu verpflichtet, über fremdes Vermögen zu verfügen, und dadurch den anderen am Vermögen schädigt.  Eine Person missbraucht ihre Befugnis, wenn sie in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Schutz des Vermögens des wirtschaftlich Berechtigten dienen.“Veruntreuung“ liegt vor, wenn sich jemand etwas, das ihm oder einem Dritten anvertraut wurde, in der Absicht aneignet, sich oder den Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern.
  • Bestechung von Regierungsbeamten
    Der Straftatbestand der Bestechung von Amtsträgern ist umfangreich geregelt.  Grundsätzlich machen sich beide Seiten strafbar, d.h. der Amtsträger, der einen Vorteil fordert und derjenige, der einem Amtsträger einen Vorteil verspricht.Ein Amtsträger macht sich strafbar, wenn er für sich oder einen Dritten für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt.Der Amtsträger mach sich auch strafbar, wenn er sich mit dem Vorsatz, sich in seiner Amtstätigkeit beeinflussen zu lassen, einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert oder einen ungerechtfertigten Vorteil annimmt oder sich versprechen lässt.Wie bereits erwähnt, macht sich auch derjenige strafbar, der dem Amtsträger oder einem Dritten einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt.
  • Strafrechtliche Bekämpfung des Wettbewerbs
    Das österreichische Strafgesetzbuch verbietet wettbewerbsbeschränkende Absprachen in öffentlichen Vergabeverfahren.  Wer einen Antrag auf Teilnahme an einem Vergabeverfahren stellt, ein Angebot abgibt oder Verhandlungen führt, die auf einer rechtswidrigen Absprache beruhen, die darauf abzielt, den öffentlichen Auftraggeber zur Annahme eines bestimmten Angebots zu bewegen, macht sich strafbar.  Auch eine Bestrafung wegen Betrugs scheint in solchen Fällen möglich zu sein.Preisabsprachen zwischen Bietern bei privaten Ausschreibungen können einen Betrug darstellen.Das österreichische Bundesgesetz gegen Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz 2005, KartG 2005) verbietet u.a. den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.  Ein solcher Missbrauch kann insbesondere in der Forderung nach Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen bestehen, die von jenen abweichen, die sich bei wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden, wobei insbesondere das Verhalten von Unternehmern auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen ist.
  • Kartelle und andere Wettbewerbsverstöße
    Das oben genannte Kartellgesetz verbietet unter anderem alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle).Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verbietet zum Schutz von Unternehmern und Verbrauchern z.B. aggressive oder irreführende Geschäftspraktiken.  Bei Verstößen sind neben Unterlassungs- und Schadenersatzklagen auch Bußgelder möglich.
  • Steuerstraftaten
    Das österreichische Finanzstrafgesetz (FinStrG) regelt eine breite Palette von Finanzdelikten.  Einige dieser Delikte fallen in die Zuständigkeit der Gerichte, für andere sind wiederum die Finanzbehörden zuständig.Zu den Straftaten gehören Steuerhinterziehung, Schmuggel, Steuerbetrug und grenzüberschreitender Mehrwertsteuerbetrug.
  • Betrug bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
    Es wird auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen.Im Hinblick auf ausgabenseitigen Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union und die missbräuchliche Verwendung von Geldern und Vermögenswerten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union wurden gesonderte Straftatbestände geschaffen.
  • Umweltkriminalität
    Das österreichische Strafgesetzbuch enthält umfangreiche Straftatbestände, die den Schutz der Umwelt zum Gegenstand haben.  Dazu gehören zum Beispiel die vorsätzliche und fahrlässige Herbeiführung von Umweltschäden.
  • Wahlkampffinanzierung/Wahlrecht
    Regelungen dazu finden sich im Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien 2012 (Parteiengesetz 2012 – PartG).Darin heißt es zum Beispiel, dass jede politische Partei jährlich in einem Rechenschaftsbericht öffentlich über die Art ihrer Einnahmen und Ausgaben berichten muss.  Der Rechnungshof prüft diese Berichte.  Auch Spenden und andere Zuwendungen an die Parteien sind geregelt. So gibt es hierbei Obergrenzen und Berichtspflichten.
  • Marktmanipulation im Zusammenhang mit dem Verkauf von Derivaten
    Das österreichische Börsegesetz 2018 (BörseG 2018) stellt Marktmanipulation unter Strafe und verweist auf die einschlägigen europäischen Rechtsvorschriften (Marktmissbrauchsverordnung (MAR), Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID)).  Einige der Straftatbestände sind Verwaltungsübertretungen, die von der Finanzmarktaufsicht verfolgt werden, während andere von den Gerichten geahndet werden.
  • Geldwäsche oder Überweisungsbetrug
    Der Straftatbestand der Geldwäscherei hat in den letzten Jahren, auch aufgrund der europäischen Gesetzgebung, immer mehr an Bedeutung gewonnen.Die Strafnorm enthält zwei unterschiedliche Anknüpfungspunkte in Bezug auf die Geldwäscherei. Zum einen umfasst sie Vermögenswerte, die aus einer bestimmten Vortat stammen, und zum anderen – ohne, dass eine bestimmte Vortat relevant ist – Vermögenswerte, die einer terroristischen Vereinigung angehören.Zur Bekämpfung der Geldwäsche wurden in zahlreichen Bereichen umfangreiche Prüfungs- und Meldepflichten eingeführt.  Dies gilt z.B. für Kredit- und Finanzinstitute, Versicherungsgesellschaften sowie für Rechtsanwälte und Notare, die alle Transaktionen, bei denen sie im Namen und auf Rechnung ihres Mandanten Finanz- oder Immobilientransaktionen durchführen, sorgfältig prüfen müssen usw.
  • Cybersecurity und Datenschutzrecht
    Das österreichische Strafgesetzbuch kennt mehrere Straftatbestände im Zusammenhang mit Internetkriminalität.Dazu gehören der widerrechtliche Zugriff auf ein Computersystem, die Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses, das missbräuchliche Abfangen von Daten, die Datenbeschädigung, die Störung der Betriebsfähigkeit eines Computersystems, der Missbrauch von Computerprogrammen oder Zugangsdaten usw.  Neben diesen spezifischen Straftatbeständen können allerdings auch allgemeine Straftatbestände wie Betrug anwendbar sein.Das österreichische Datenschutzgesetz (DSG) enthält ein Grundrecht auf Datenschutz.  Neben diesem ist auch die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Österreich unmittelbar anwendbar.
  • Handelssanktionen und Verstöße gegen die Ausfuhrkontrolle
    Das österreichische Außenwirtschaftsgesetz 2011 (AußWG 2011) hat wesentliche europarechtliche Vorgaben umgesetzt und enthält Bestimmungen zur Exportkontrolle, zur Kontrolle des Verkehrs von Rüstungsgütern innerhalb der Europäischen Union und zur Kontrolle der Übernahme österreichischer Unternehmen durch Personen oder Unternehmen aus Drittstaaten (außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz).Bei Verstößen sieht das Gesetz sowohl verwaltungsstrafrechtliche Konsequenzen als auch gerichtlich zu ahndende Straftaten vor.
  • Andere Straftaten von bestimmten Interesse in diesem Zusammenhang
    Keine

3.2 Gibt es in Ihrem Rechtssystem eine Haftung für unvollendete Straftaten? Kann eine Person für den Versuch, eine Straftat zu begehen, haftbar gemacht werden, unabhängig davon, ob die versuchte Straftat vollendet wird oder nicht? Kann eine Person wegen „falscher Verdächtigung“ haftbar gemacht werden, wenn sie einer anderen Person hilft, nicht aufgespürt oder entdeckt zu werden?

Nach österreichischem Recht ist der Versuch der Begehung einer Straftat grundsätzlich strafbar. Voraussetzung für das Vorliegen eines Versuchs ist das Fehlen mindestens eines objektiven Tatbestandsmerkmals – andernfalls wäre das Delikt vollendet. Außerdem muss der Täter mit vollem Tatvorsatz gehandelt haben und eine Ausführungshandlung begangen haben. Voller Vorsatz bedeutet, dass der Täter beschließt, die Tat auszuführen. Es sei darauf hingewiesen, dass die Tatsache, dass es sich lediglich um einen Versuch gehandelt hat, zwar keinen Einfluss auf die Strafandrohung als solche hat, aber ein sehr wichtiger strafmildernder Faktor ist, den das Gericht bei der Verhängung der Strafe berücksichtigen muss. Unter bestimmten Umständen ist es möglich, von dem Versuch – sowohl dem vollendeten als auch dem unvollendeten Versuch – zurückzutreten und damit die Strafbarkeit zu verneinen.

Fehlverhalten

Nach § 299 StGB macht sich strafbar, wer vorsätzlich eine andere Person, die eine Straftat begangen hat, der Strafverfolgung entzieht.

4 Strafrechtliche Haftung von Unternehmen

4.1 Haften auch Unternehmen für Straftaten? Wenn ja, unter welchen Umständen wird das Verhalten eines Mitarbeiters dem Unternehmen zugerechnet? Gibt es Möglichkeiten, wie ein Unternehmen die strafrechtliche Haftung für die Handlungen seiner Mitarbeiter oder Vertreter vermeiden kann? 

Das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) regelt die Haftung eines Verbandes (z.B. Aktiengesellschaft, GmbH etc.) für Straftaten seiner Entscheidungsträger und Mitarbeiter. Entscheidend ist dabei, dass die Straftat dem Verband zugerechnet werden kann. So muss sie entweder zu Gunsten des Verbands begangen worden sein oder es müssen Pflichten verletzt worden sein, die den Verband betreffen.

Während Straftaten, die von Entscheidungsträgern begangen werden, dem Verband unmittelbar zugerechnet werden können, müssen bei Straftaten, die von Mitarbeitern begangen werden, zusätzliche Kriterien erfüllt sein.  So ist bei Mitarbeitern ein sogenanntes Organisationsverschulden des Verbandes erforderlich, d.h. die Straftat muss durch das Verschulden eines Entscheidungsträgers ermöglicht oder wesentlich erleichtert worden sein, etwa wenn zumutbare und erforderliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen wurden.  Eine Straftat ist dem Verband zuzurechnen, wenn ein Mitarbeiter rechtswidrig gehandelt hat; ein Verschulden des Mitarbeiters ist, anders als bei Entscheidungsträgern, nicht erforderlich.

Das bedeutet, dass es eine Haftung nicht für jede Straftat eines Entscheidungsträgers oder eines Mitarbeiters gibt, sondern dass die Tat immer der Vereinigung zugerechnet werden muss. Nur wenn die oben beschriebenen rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Verband zur Verantwortung gezogen werden.

4.2 Gibt es eine persönliche Haftung für Manager, leitende Angestellte und Geschäftsführer, wenn das Unternehmen für eine Straftat haftbar gemacht wird? Wenn ja, unter welchen Umständen?

Unabhängig von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Verbandes sind auch die Entscheidungsträger und Mitarbeiter, die die Straftat begangen haben, strafrechtlich verantwortlich.  Somit ist eine gleichzeitige Bestrafung von juristischen und natürlichen Personen möglich.

Wird der Verband zur „Behebung“ des entstandenen Schadens verurteilt, kann er nach österreichischem Schadenersatzrecht Regress nehmen. Es gibt jedoch keinen Regress, wenn eine Verbandsstrafe verhängt wurde.

4.3 Haben die Behörden in Fällen, in denen sowohl eine juristische als auch eine natürliche Personen haftet, eine Strategie oder eine Präferenz dafür, wann die juristische, wann die natürliche oder wann beide verfolgt werden sollen? Hat sich die Präferenz in den letzten Jahren geändert? Inwiefern?

Die Behörden führen die Verfahren gegen den Verband und die natürlichen Personen gleichzeitig.  Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich die Behörden oft mehr auf die natürlichen Personen konzentrieren und dazu neigen, das Verfahren gegen die Verbände als eher nebensächlich zu behandeln.

Eine Änderung des Verhaltens der Behörden war in den letzten Jahren nicht zu beobachten.

4.4 Kann es im Rahmen einer Fusion oder Übernahme zur Haftung der Nachfolgegesellschaft kommen? Wann ist die Nachfolgehaftung anwendbar? Wann nicht?

Das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz enthält eine Rechtsnachfolgeklausel.  Diese sieht vor, dass im Falle einer Rechtsnachfolge die in diesem Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen den Rechtsnachfolger treffen.  Gibt es mehr als einen Rechtsnachfolger, kann eine gegen den Rechtsvorgänger verhängte Geldstrafe gegen jeden Rechtsnachfolger vollstreckt werden.

Unter Rechtsnachfolge sind in erster Linie alle Formen der Gesamtrechtsnachfolge (z. B. Umwandlung, Verschmelzung, Übernahme) zu verstehen, nicht jedoch die Einzelrechtsnachfolge. Im Bereich der Einzelrechtsnachfolge gibt es jedoch – um Umgehungen zu vermeiden – eine Ausnahme, wenn das Unternehmen oder die Tätigkeit im Wesentlichen fortgeführt wird und die Eigentumsverhältnisse im Wesentlichen gleich bleiben. Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmung ist, dass der Rechtsnachfolger eine Gesellschaft ist. Das bedeutet, dass, wenn das Vermögen beispielsweise einer offenen Gesellschaft (OG) auf eine einzelne Person übertragen wird, diese zum Einzelunternehmer wird und die Bestimmung nicht gilt.

5 Verjährungsfristen

5.1 Wie werden Vollstreckungsverjährungsfristen berechnet und wann beginnt eine Verjährungsfrist zu laufen?

Während nach österreichischem Zivilrecht die meisten Ansprüche einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen (ab dem Zeitpunkt, zu dem der Schaden und die Person des Schädigers dem Geschädigten bekannt geworden sind; wenn der Schaden und die Person des Schädigers dem Geschädigten nicht bekannt geworden sind, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre), so beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre, wenn der Schaden aus einer oder mehreren strafbaren Handlungen entstanden ist, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind (die Verjährungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zu laufen).

Im Strafrecht hängt die Verjährungsfrist von der Strafandrohung ab. So beträgt die Verjährungsfrist nach § 57 StGB ein Jahr, wenn die Strafandrohung nicht mehr als sechs Monate beträgt, drei Jahre, wenn die Strafandrohung nicht mehr als ein Jahr beträgt, und fünf Jahre, wenn die Strafandrohung nicht mehr als fünf Jahre beträgt. Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, sobald die Straftat vollendet ist oder die Straftat eingestellt wird.

5.2 Können Straftaten, die außerhalb der Verjährungsfrist begangen werden, verfolgt werden, wenn sie Teil eines Musters oder einer Praxis oder einer laufenden Verschwörung sind?

Bei laufenden Straftaten beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen.  In diesen Fällen beginnt der Fristenlauf erst mit der Beendigung der letzten Straftat.

Begeht der Täter während der Verjährungsfrist eine andere Straftat, der dieselbe schädliche Tendenz zugrunde liegt, verlängert sich die Verjährungsfrist.

5.3 Kann die Verjährungsfrist gehemmt werden? Wenn ja, wie?

Nicht von der Verjährungsfrist umfasst ist beispielsweise der Zeitraum, in dem die Strafverfolgung aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden darf (z.B. im Falle diplomatischer Immunität). Die Zeit zwischen der ersten Vernehmung des Beschuldigten und der endgültigen Einstellung des Verfahrens wird ebenfalls nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet.

6 Einleitungen von Ermittlungen

6.1 Sind die Strafverfolgungsbehörden auch zur Durchsetzung ihrer Befugnisse für bestimmte Wirtschaftsstraftaten zuständig, wenn diese außerhalb ihres Hoheitsgebiets begangen wurden? Wenn ja, welche Gesetze können extraterritorial durchgesetzt werden und welche gesetzlichen Grundlage erlauben ein solche Durchsetzung? Wie oft berufen sich die Strafverfolgungsbehörden auf eine solche extraterritoriale Gerichtsbarkeit, um Wirtschaftsstraftaten zu verfolgen?

Das österreichische Strafrecht ist, unabhängig vom Strafrecht des Tatorts, auf bestimmte gesetzlich aufgezählte Taten, die im Ausland begangen wurden, anwendbar. Für andere als die im Gesetz ausdrücklich genannten Taten, die im Ausland begangen wurden, gelten die österreichischen Strafgesetze unter bestimmten Voraussetzungen auch für Straftaten, sofern diese nach dem Recht  des Tatorts ebenfalls strafbar sind.

Die österreichischen Strafverfolgungsbehörden kooperieren dabei regelmäßig mit ausländischen Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der nationalen und internationalen Vorschriften.

6.2 Wie werden Ermittlungen eingeleitet? Gibt es Vorgaben oder Richtlinien, die die Einleitung einer Ermittlung durch die Ermittlungsbehörden regeln? Können Dritte erfahren, wie die Untersuchung begann, oder die Aktenunterlagen erhalten? Wenn ja, beschreiben Sie diese bitte.

Die meisten Straftaten sind Offizialdelikte.  Bei diesen muss die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei tätig werden, sobald sie Kenntnis von dem Fall erhält.  In einigen wenigen Fällen muss das Opfer der Straftat die Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung ermächtigen oder in einigen Fällen selbst einen Strafantrag stellen.

Auch Dritte können den Akt einsehen, wenn sie ein berechtigtes rechtliches Interesse haben, sofern dies nicht einem überwiegenden öffentlichen Interesse zuwiderläuft. Im Ermittlungsverfahren obliegt die Entscheidung darüber der Staatsanwaltschaft, im weiteren Verfahren dem Gericht. Die Genehmigung zur Akteneinsicht zu Forschungszwecken ist – im Allgemeinen – ebenfalls möglich.

6.3 Verfügen die Strafverfolgungsbehörden in Ihrem Land über formelle und/oder informelle Mechanismen für die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden? Arbeiten sie mit ausländischen Behörden zusammen?

Die österreichischen Behörden können ausländische Behörden um Rechtshilfe ersuchen und tun dies auch regelmäßig.

7 Verfahren zur Einholung von Informationen von einem Unternehmen

7.1 Welche Befugnisse haben die Behörden im Allgemeinen, um bei der Untersuchung von Wirtschaftsdelikten Informationen zu sammeln?

Den österreichischen Strafverfolgungsbehörden stehen zahlreiche Befugnisse zur Beweiserhebung zur Verfügung.  Sie können Zeugen befragen, Hausdurchsuchungen durchführen, Dokumente beschlagnahmen oder Gespräche abhören.  Für bestimmte Maßnahmen benötigt die Staatsanwaltschaft jedoch eine gerichtliche Genehmigung.

Diese Maßnahmen sind in einem eigenen Abschnitt der österreichischen Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Je nach Ausmaß des Eingriffs in die Rechte der betroffenen Person ist entweder nur eine Anordnung der Staatsanwaltschaft oder zusätzlich auch eine gerichtliche Genehmigung erforderlich. In bestimmten Fällen – insbesondere bei Gefahr in Verzug – kann die Kriminalpolizei von sich aus tätig werden.

Jede ergriffene Maßnahme muss verhältnismäßig sein.

Sammeln von Dokumenten:

7.2 Unter welchen Umständen können die Behörden verlangen, dass ein Unternehmen, gegen das ermittelt wird, Dokumente vorlegt und unter welchen Umständen können die Behörde ein Unternehmen, gegen das ermittelt wird, durchsuchen und Dokumente beschlagnahmen?

Die Durchsuchung von Orten und Gegenständen (sowie von Personen) ist zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort eine einer Straftat verdächtige Person versteckt hält oder Beweismittel vorhanden sind, die gegebenenfalls sichergestellt oder ausgewertet werden müssen.

7.3 Gibt es irgendwelche Schutzmaßnahmen gegen die Herausgabe oder Beschlagnahme von Dokumenten, die das Unternehmen für alle Arten von Dokumenten geltend machen kann? Kennt ihr Rechtssystem beispielsweise irgendwelche Privilegien oder Bestimmungen zum Schutz von Dokumenten, die von internen Firmenanwälten oder externen Beratern erstellt wurden, oder zum Schutz der Kommunikation des Unternehmens mit den Firmenanwälten oder externen Beratern?

Die österreichische Strafprozessordnung (StPO) sieht vor, dass Dokumente und Informationen, die sich im Besitz des Beschuldigten befinden und von ihm oder seinem Anwalt zum Zweck seiner Verteidigung vorbereitet wurden, nicht beschlagnahmt werden dürfen.

Bestimmte Berufsgruppen – insbesondere Rechtsanwälte – sind berechtigt, die Herausgabe von Datenträgern oder Dokumenten im Rahmen ihrer Verschwiegenheitspflicht zu verweigern. Die Dokumente müssen dann dem Gericht vorgelegt werden, das entscheidet, ob die Herausgabe gegen die beruflichen Pflichten verstoßen würde.

7.4 Gibt es in Ihrem Land Arbeits- oder Datenschutzgesetze (z. B. die Allgemeine Datenschutzgrundverordnung in der Europäischen Union), die sich auf die Erhebung, Verarbeitung oder Übermittlung personenbezogener Daten von Mitarbeitern auswirken können, selbst wenn diese in Unternehmensdateien gespeichert sind? Gibt es in Ihrem Land Sperrgesetze oder andere innerstaatliche Gesetze, die eine grenzüberschreitende Offenlegung behindern könnten?

Die Datenschutzgrundverordnung ist in Österreich unmittelbar anwendbar.

7.5 Unter welchen Umständen können die Behörden von Mitarbeitern eines Unternehmens die Herausgabe von Dokumenten verlangen oder eine Durchsuchung seiner Wohnung durchführen oder Dokumente beschlagnahmen?

Die Bedingungen, unter denen die Behörden die Herausgabe von Dokumenten von einem Arbeitnehmer verlangen können, sind die gleichen wie jene, die bei der Ausfolgung von Dokumenten vom Unternehmen gelten.

7.6 Unter welchen Umständen können die Behörden von einer dritten Person oder einem dritten Unternehmen verlangen, dass sie den Behörden Dokumente vorlegt? Wann kann eine Behörde eine Hausdurchsuchung in der Wohnung oder im Büro dieser Person oder dieses Unternehmens durchführen bzw. Dokumente beschlagnahmen?

Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen, z.B. für eine Hausdurchsuchung, erfüllt sind, ist eine solche Durchsuchung auch in diesem Fall zulässig.

Befragung von Einzelpersonen:

7.7 Unter welchen Umständen können die Behörden verlangen, dass ein Angestellter, leitender Angestellter oder Geschäftsführer eines Unternehmens, gegen das ermittelt wird, befragt wird? Wie findet die Befragung statt?

Hierbei ist zu unterscheiden, ob die Person als Beschuldigter oder als Zeuge vernommen werden soll.

Beschuldigter ist, wer aufgrund bestimmter Tatsachen konkret verdächtigt wird, eine Straftat begangen zu haben und zur Aufklärung dieses Verdachts Beweise aufgenommen oder Ermittlungsmaßnahmen angeordnet oder durchgeführt werden.

Ein Beschuldigter darf nicht gezwungen werden, sich selbst zu belasten.  Es steht ihm frei, auszusagen oder die Aussage zu verweigern. Beschuldigte haben außerdem das Recht, in jedem Stadium des Verfahrens einen Verteidiger hinzuzuziehen.

Zeugen sind vom Beschuldigten verschiedene Personen, die Tatsachen, die für die Aufklärung der Straftat wesentlich sind oder sich sonst auf den Gegenstand des Verfahrens beziehen, unmittelbar oder mittelbar wahrgenommen haben könnten und darüber im Verfahren aussagen sollen. Sie sind verpflichtet, richtig und vollständig auszusagen.  In bestimmten Fällen haben Zeugen das Recht, die Aussage zu verweigern oder nicht als Zeuge vernommen zu werden.  Außerdem haben das Recht, bei der Vernehmung eine Vertrauensperson beizuziehen.

7.8 Unter welchen Umständen können die Behörden verlangen, dass eine dritte Person befragt wird. Unter welchen Bedingungen kann die Befragung stattfinden?

Weitgehend unter den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen wie eben beschrieben.

7.9 Welche Schutzmaßnahmen kann eine Person ergreifen, wenn sie von der Behörde befragt wird? Gibt es ein Recht auf Vertretung durch einen Anwalt während der Befragung? Gibt es ein Recht oder ein Privileg sich nicht selbst belasten zu müssen, das geltend gemacht werden kann? Wenn ein solches Recht besteht, kann die Geltendmachung dieses Rechts im Prozess zu einem Schuldspruch führen?

Siehe die Antwort auf Frage 7.7.

Im österreichischen Strafverfahren gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung.  Grundsätzlich ist es zulässig, das Schweigen des Beschuldigten zu verwerten, wobei es allerdings im Einklang mit Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention immer sehr stark vom Einzelfall abhängt, ob und wie das Schweigen gewertet wird. Voraussetzung wird wohl sein, dass die Beweise gegen den Beschuldigten einen so schwerwiegenden Verdacht begründen, dass nach gesundem Menschenverstand aus dem Schweigen des Beschuldigten nur der Schluss gezogen werden kann, dass der Beschuldigte auf die gegen ihn erhobenen Beweise keine Antwort hat (anknüpfend an eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte).

8 Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen / Aufgeschobene Strafverfolgung / Zivilrechtliche Verfügungen

8.1 Wie werden Strafverfahren eingeleitet?

Die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft sind verpflichtet, von Amts wegen jedem Anfangsverdacht einer Straftat nachzugehen, der ihnen bekannt wird und der nicht nur auf Antrag eines Berechtigten verfolgt werden soll.  In der Praxis werden Straftaten häufig aktiv bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft angezeigt, woraufhin die Behörden ihre Ermittlungen aufnehmen.

8.2 Welche Regeln oder Leitlinien gelten für die Behörden im Hinblick auf die Entscheidung, eine Organisation oder eine Person wegen einer Straftat anzuklagen?

In Österreich regelt das Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten (VbVG) die Haftung eines Verbands für Straftaten, die von seinen Entscheidungsträgern und Mitarbeitern begangen werden.

Siehe im Einzelnen die Antwort auf Frage 4.1 oben.

8.3 Können Angeklagter und Behörden vereinbaren, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren im Wege einer vorgerichtlichen Diversion oder durch einen Aufschub der Strafverfolgung beendet wird? Wenn ja, beschreiben Sie bitte etwaige Vorschriften und Leitlinien, die regeln ob bzw. wann derartige Vereinbarungen möglich sind.

Eine „Diversion“ ist immer dann möglich, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

Voraussetzung für die Diversion ist, dass der Sachverhalt hinreichend geklärt ist, die Tat nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, die Schuld des Beschuldigten nicht als schwerwiegend angesehen wird und die Tat nicht zum Tod eines Menschen geführt hat, es sei denn, ein Angehöriger des Beschuldigten wurde fahrlässig getötet und eine Bestrafung erscheint angesichts der schweren psychischen Belastung des Beschuldigten nicht erforderlich.  Außerdem darf die Bestrafung des Angeklagten nicht erforderlich sein, um ihn von der Begehung von Straftaten abzuschrecken oder um der Begehung von Straftaten durch andere entgegenzuwirken.  Anstelle einer Bestrafung verhängt die Staatsanwaltschaft (oder später das Gericht) eine Diversionsmaßnahme, welcher der Beschuldigte zustimmen muss.  Als Diversionsmaßnahmen kommen in Betracht: die Zahlung eines Geldbetrags, die Erbringung von gemeinnütziger Arbeit, die Verhängung einer Probezeit, verbunden mit einer Bewährungsfrist und der Erfüllung von Auflagen, und der Tatausgleich.

Beim Amtsmissbrauch ist die Diversion gesetzlich eingeschränkt. Bei Sexualstraftaten, die mit einer mehr als dreijährigen Freiheitsstrafe bedroht sind, ist sie überhaupt ausgeschlossen.

8.4 Wenn es die Möglichkeit der Vereinbarung eines Aufschubs oder des Absehens von der Strafverfolgung gibt, um strafrechtliche Ermittlungen zu beenden, müssen bestimmte Aspekte dieser Vereinbarung gerichtlich genehmigt werden? Wenn ja, beschreiben Sie bitte die Faktoren, die die Gerichte bei der Prüfung dieser Vereinbarungen berücksichtigen.

Die einzig mögliche Option ist die „Diversion“, wie in Frage 8.3 beschrieben.  Im Vorverfahren liegt die Entscheidungsbefugnis bei der Staatsanwaltschaft, im Hauptverfahren beim Gericht.

8.5 Können gegen einen Beschuldigten zusätzlich zu oder anstelle einer strafrechtlichen Verurteilung zivilrechtliche Sanktionen verhängt werden? Wenn ja, beschreiben Sie bitte die Umstände, unter denen dies möglich ist.

Neben dem Strafverfahren kann auch ein Zivilverfahren eingeleitet werden.  Das Opfer einer Straftat kann sich mit seinen Ansprüchen gegen den Beschuldigten dem Strafverfahren anschließen und/oder diese zivilrechtlich verfolgen.

Tritt das Opfer dem Strafverfahren als Privatbeteiligter bei, muss es den erlittenen Schaden angeben. Kann der Schaden nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden, so wird das Opfer auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

8.6 Kann eine Einzelperson oder ein Unternehmen eine Privatanklage erheben? Wenn ja, können sie Straftaten im Bereich der Wirtschaftskriminalität privat verfolgen?

Siehe die Antworten auf die Fragen 1.1 und 8.1 oben.

Es gibt Straftaten, bei denen das Opfer selbst Anzeige erstatten muss (Privatanklagedelikte, z.B. Beleidigung) und Straftaten, bei denen das Opfer die Strafverfolgung genehmigen muss (Ermächtigungsdelikte, z.B. Betrug). Die klassischen Wirtschaftsdelikte (z.B. Betrug, Veruntreuung) fallen jedoch nicht unter diese Kategorien, sondern sind vielmehr von Amts wegen zu verfolgende Delikte (Offizialdelikte).

9 Die Beweislast

9.1 Welche Partei trägt die Beweislast für die in Abschnitt 3 genannten Tatbestände der Wirtschaftskriminalität? Welche Partei trägt die Beweislast in Bezug auf Einreden des Beklagten?

Die Beweislast liegt bei der Staatsanwaltschaft.

9.2 Welches Beweismaß muss die beweispflichtige Partei erfüllen?

Das allgemein geforderte Beweismaß ist ein über jeden vernünftigen Zweifel erhabener Beweis.

Aus diesem Grundsatz folgt, dass im Zweifel zugunsten des Angeklagten entschieden werden muss (in dubio pro reo).

9.3 Wer ist in einem Strafverfahren die Tatsacheninstanz? Wer entscheidet, ob die Partie ihrer Beweislast nachgekommen ist? Wenn Geschworene oder eine Gruppe Geschworenen über das Ergebnis entscheidet, muss dies dann einstimmig geschehen?

Das Gericht entscheidet auf Grundlage der vorgelegten Beweise nach seiner freien Überzeugung.

Das Votum der Jury muss nicht einstimmig sein; die Mehrheit der Stimmen ist ausreichend. Bei Stimmengleichheit hat die für den Angeklagten günstigere Meinung Vorrang.

10 Verschwörung/ Beihilfe und Anstiftung

10.1 Kann eine Person, die sich mit einem anderen zur Begehung einer Wirtschaftsstraftat verschwört oder ihm hilft, haftbar gemacht werden? Wenn ja, um welche Art von Haftung handelt es sich dabei und was sind die Element der Straftat?

Nicht nur der unmittelbare Täter begeht die strafbare Handlung, sondern auch derjenige, der einen anderen dazu bestimmt hat oder anderweitig zu ihrer Begehung beiträgt.  Bestimmungstäter ist, wer einen anderen zur Begehung einer Straftat veranlasst.  Mittäter ist, wer auf andere Weise – d.h. nicht durch Bestimmung eines anderen – zur Ausführung einer Straftat beiträgt.

War mehr als eine Person an der Tat beteiligt, so wird jede von ihnen entsprechend ihrem Verschulden bestraft.

11 Gemeinsame Verteidigungsmaßnahmen

11.1 Kann gegen die strafrechtliche Anklage eingewendet werden, dass der Angeklagte nicht den zur Begehung der Straftat erforderlichen Vorsatz hatte? Wenn ja, wer trägt die Beweislast in Bezug auf den Vorsatz?

Vorsätzlich handelt, wer eine Handlung begehen will, die einem gesetzlichen Straftatbestand entspricht; dabei ist es ausreichend, dass der Täter die Verwirklichung des Sachverhalts ernsthaft für möglich hält und sich mit ihr abfindet (dolus eventualis).  Diese Form des Vorsatzes ist in den meisten Fällen ausreichend.

Bei einigen Straftaten muss der Täter absichtlich (dolus directus) oder wissentlich handeln.

Der Täter handelt absichtlich (dolus directus), wenn es ihm gerade auf die Verwirklichung des Umstandes oder des Erfolgs ankommt, für die das Gesetz ein absichtliches Handeln voraussetzt.

Der Täter handelt wissentlich, wenn er den Umstand oder den Erfolg, für den das Gesetz Wissentlichkeit voraussetzt, nicht nur für möglich hält, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für sicher hält.

Bei einigen Straftaten ist Fahrlässigkeit Voraussetzung für die Strafbarkeit.

Fahrlässig handelt, wer die ihm nach den Umständen obliegende, ihm nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen mögliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt und deshalb nicht erkennt, dass er einen Zustand herbeiführen kann, der einem Straftatbestand entspricht.  Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Zustand herbeiführt, ihn aber nicht herbeiführen will.

Grob fahrlässig handelt, wer ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Zustandes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war.

Ob der jeweilige Vorsatzes oder Fahrlässigkeit vorliegen, entscheidet das Gericht auf der Grundlage der Beweismittel nach seiner freien Überzeugung.

11.2 Kann gegen die strafrechtliche Anklage eingewendet werden, dass der Angeklagte das Gesetz nicht kannte, d.h. dass er nicht wusste, dass sein Verhalten rechtswidrig war? Wenn ja, was sind die Elemente dieser Einwendung und wer trägt die Beweislast für die Rechtskenntnis des Angeklagten?

Erkennt der mutmaßliche Täter die Rechtswidrigkeit bzw. das Unrecht der Tat infolge eines Rechtsirrtums nicht, so handelt er nicht schuldhaft, wenn ihm der Irrtum nicht vorzuwerfen ist.

Der Rechtsirrtum ist vorwerfbar, wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn der Täter sich nicht mit den einschlägigen Vorschriften vertraut gemacht hat, obwohl er aufgrund seines Berufs, seiner Beschäftigung oder sonstigen Umständen dazu verpflichtet gewesen wäre.

Ist der Irrtum vorwerfbar und hat der Täter vorsätzlich gehandelt, so wird die für die vorsätzliche Tat vorgesehene Strafe verhängt. Hat er fahrlässig gehandelt, so wird die für die fahrlässige Tat vorgesehene Strafe verhängt.

11.3 Kann man sich gegen eine strafrechtliche Anklage damit verteidigen, dass der Angeklagte den Sachverhalt nicht kannte, d. h. dass er nicht wusste, dass er ein rechtswidriges Verhalten begangen hatte? Wenn ja, was sind die Elemente dieser Einwendung und wer trägt die Beweislast für die Kenntnis des Angeklagten vom Sachverhalt?

Wenn der Täter nicht weiß, dass er mit seinem Handeln eine Straftat begeht, kann er vorsatzlos handeln und somit nicht wegen einer vorsätzlichen Straftat bestraft werden.  Liegt jedoch ein entsprechendes Fahrlässigkeitsdelikt vor und hat der Täter fahrlässig gehandelt, so bleibt eine mögliche Haftung für das fahrlässiges Handeln bestehen.

Auch hier liegt die Beweislast beim Gericht.  Das Gericht muss alle Argumente prüfen – in diesem Fall vor allem, ob der Täter alle Fakten des Falles kannte.

12 Freiwillige Offenlegungsverpflichtungen

12.1 Müssen Personen oder Unternehmen, die von der Begehung einer Straftat erfahren haben, dies an die Behörden melden? Kann eine natürlich oder juristische Person dafür belangt werden, wenn sie diese Anzeige unterlässt? Kann eine natürliche oder juristische Person für die freiwillige Bekanntgabe der Straftat eine Strafnachsicht erhalten?

Es gibt keine allgemeine Verpflichtung für Einzelpersonen oder Unternehmen zur Anzeige einer Straftat.  Die freiwillige Anzeige einer Straftat, die Zusammenarbeit mit den Behörden, die Wiedergutmachung von Schäden usw. sind jedoch allesamt Faktoren, welche die drohende Strafe abmildern können.

Die Kronzeugenregelung ist im österreichischen Strafrecht noch sehr neu.  Sie wurde zum Zweck der Evaluierung befristet eingeführt und wäre mit Ablauf des 31. Dezember 2021 ausgelaufen.

Sie wurde jedoch um weitere sieben Jahre bis 2028 verlängert (BGBl I 2021/243). Eine der Änderungen gegenüber der bisherigen Regelung, die am 31. Dezember 2021 auslief, betrifft die Tatsache, dass sich Zeugen nun neben der Staatsanwaltschaft auch an die Kriminalpolizei wenden können.

13 Bestimmungen zur Zusammenarbeit / Kronzeugenregelung

13.1 Kann eine natürliche oder juristische Person, die den Behörden freiwillig strafbare Handlungen offenbart oder bei strafrechtlichen Ermittlungen der Behörden gegen sie kooperiert, von den Behörden eine Strafnachsicht? Wenn ja, welche Bestimmungen oder Leitlinien regeln die Möglichkeit der Behörden, als Gegenleistung für freiwillige Offenlegungen oder Kooperationen eine Nachsicht zu gewähren?

Wie unter Frage 12.1 erwähnt, ist die Kronzeugenregelung in Österreich noch neu und wird derzeit evaluiert.

Im Allgemeinen ist die Kronzeugenregelung eine besondere Form der „Diversion“.  Der Straftäter muss sich freiwillig an die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei wenden, mit ihr kooperieren und ein reumütiges Geständnis ablegen.  Wenn alle rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Kronzeugenregelung erfüllt sind, muss die Staatsanwaltschaft wie im Fall der „Diversion“ vorgehen.  Der Kronzeuge erklärt sich mit einer Maßnahme einverstanden (Zahlung einer Geldprämie, Erbringung einer gemeinnützigen Arbeit, Bewährungszeit usw.) und das Verfahren gegen ihn wird vorbehaltlich einer späteren Strafverfolgung eingestellt.  Stellt sich im weiteren Verlauf des Verfahrens heraus, dass der Hauptzeuge Pflichten verletzt hat, kann das Verfahren gegen ihn wieder aufgenommen werden.  Ist das Verfahren gegen den beschuldigten Dritten rechtskräftig abgeschlossen, stellt die Staatsanwaltschaft das gegen den Hauptbelastungszeugen geführte Ermittlungsverfahren endgültig ein.  Voraussetzung ist jedoch, wie oben erwähnt, dass der Hauptzeuge seine Pflichten erfüllt hat (Zahlung einer Geldentschädigung, Erbringung von gemeinnütziger Arbeit, Probezeit usw.).

13.2 Beschreiben Sie das Ausmaß der Zusammenarbeit, einschließlich der Schritte, die ein Unternehmen tätigen würde, welches im Allgemeinen von Unternehmen verlangt wird, wenn diese die Kronzeugenregelung beantragen und beschreiben Sie die Begünstigungen, die sie im Allgemeinen erhalten.

Siehe die Antwort auf Frage 13.1 oben.

14 Absprachen

14.1 Kann ein Angeklagter freiwillig auf die Anfechtung von Anklagen verzichten, wenn er im Gegenzug bloß wegen geringerer Anschuldigungen oder zu einer vereinbarten Strafe verurteilt wird ?

Verfahrensabsprachen sind in Österreich verboten.

14.2 Beschreiben Sie bitte die Regeln oder Leitlinien, nach denen die Behörden die Möglichkeit haben, mit einem Angeklagten einen Vergleich auszuhandeln. Müssen bestimmte Aspekte des dieser Vereinbarung vom Gericht genehmigt werden?

Verfahrensabsprachen sind in Österreich verboten.

15 Versiegelung

15.1 Gibt es Fälle, in denen die Gerichtsverfahren oder Ermittlungsakten als vertraulich oder versiegelt gelten?

Insbesondere hat die beschuldigte Person in einem Strafverfahren das Recht, in den gesamten Akt Einsicht zu nehmen. Nur wenn es aus bestimmten triftigen Gründen unvermeidlich ist, können einzelne Teile des Akts von der Einsicht ausgeschlossen werden. Dasselbe gilt, wenn bestimmte Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen und zu befürchten ist, dass der Zweck der Ermittlungen durch die Einsichtnahme in den Akt beeinträchtigt würde.

16 Elemente der Verbandsstrafbarkeit

16.1 Gibt es Bestimmungen oder Richtlinien für die Verhängung eines Strafmaßes durch das Gericht, nachdem dieses festgestellt hat, dass der Angeklagte der Straftat schuldig ist? Beschreiben Sie bitten den Prozess der Strafzumessung.

Sobald das Gericht von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist, muss es die Strafe festlegen, die es für angemessen hält.  Das österreichische Strafrecht sieht Mindest- und Höchststrafen (sowohl für Geld- als auch für Freiheitsstrafen) vor.  Das Gericht ist bei der Strafzumessung nicht an genaue Richtlinien gebunden, sondern muss mildernde und erschwerende Umstände berücksichtigen.  Mildernde Umstände sind z. B. ein reumütiges Geständnis, die Leistung von Schadensersatz oder wenn die Tat nur versucht wurde usw.  Erschwerende Umstände sind z. B., wenn der Angeklagte bereits vorbestraft ist oder die Höhe des verursachten Schadens.  Das Gericht kann auch bestimmte Strafen aussetzen.

16.2 Muss das Gericht vor der Verhängung einer Strafe gegen ein Unternehmen feststellen, ob die Strafe bestimmte Voraussetzungen erfüllt? Wenn ja, beschreiben Sie bitte diese Elemente.

Ist ein Verband für eine Straftat verantwortlich, so wird gegen ihn eine Verbandsgeldbuße verhängt.

Die Geldbuße wird in Tagessätzen, welcher von 50 bis 10.000 Euro festzusetzen ist. Die Höhe wird nach der Ertragslage des Verbands unter Berücksichtigung seiner sonstigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bemessen.  Das Gericht wägt erschwerende und mildernde Umstände ab.

Die Geldbuße ist insbesondere umso höher, je größer der Schaden oder die Gefährdung ist, die der Verband zu verantworten hat, je größer der Vorteil ist, den der Verband aus der Straftat gezogen hat, und je mehr das rechtswidrige Verhalten von Mitarbeitern geduldet oder gefördert wurde.

Die Geldbuße ist insbesondere dann niedriger, wenn der Verein bereits vor der Tat Vorkehrungen zur Verhinderung solcher Taten getroffen oder Mitarbeiter zu gesetzestreuem Verhalten angehalten hat, wenn der Verein nur für Straftaten von Mitarbeitern verantwortlich ist, wenn er nach der Tat einen erheblichen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet hat, wenn er die Folgen der Tat wiedergutgemacht hat, wenn er wesentliche Schritte unternommen hat, um ähnliche Taten in Zukunft zu verhindern, und wenn die Tat bereits zu schweren Rechtsnachteilen für den Verband oder seine Eigentümer geführt hat.

In bestimmten Fällen ist eine Aussetzung der Strafe möglich.

16.3 Haben die Opfer die Möglichkeit, vor oder während der Verurteilung angehört zu werden? Müssen die Opfer überhaupt angehört werden? Kann das Opfer vom Verurteilten eine finanzielle Entschädigung oder Schadenersatz erhalten?

Obwohl die StPO keine Anhörung oder Befragung des Opfers vorschreibt, ist eine Anhörung in der Praxis in der Regel unvermeidlich, um die relevanten Fakten zu klären. Als Privatbeteiligter kann das Opfer auch privatrechtliche Ansprüche (z. B. Schadensersatz, Schmerzengeld) im Strafverfahren geltend machen. Opfer, insbesondere solche mit umfangreichen Ansprüchen, werden jedoch häufig auf zivilrechtliche Verfahren verwiesen und erhalten im Strafverfahren nur einen geringen symbolischen Betrag zugesprochen. Tritt das Opfer dem Verfahren als Privatbeteiligter bei, hat es das Recht, seine Ansprüche darzulegen und zu begründen und sich nach dem Schlussplädoyer des Staatsanwalts zur Schuldfrage zu äußern.

17Rechtsmittel

17.1 Können sowohl Angeklagter als auch Staatsanwaltschaft gegen einen Schuld- bzw. Freispruch Berufung einlegen?

Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft können gegen einen Schuldspruch Berufung einlegen. Gegen einen Freispruch kann nur die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen.

Wenn beide Parteien Berufung einlegen, kann das Urteil in beide Richtungen geändert werden, d. h. sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Beklagten.

Legt nur der Angeklagte Berufung ein, nicht aber die Staatsanwaltschaft, darf das Berufungsgericht die Strafe in der Berufung nicht erhöhen.

17.2 Ist eine strafrechtliche Verurteilung nach einem Schuldspruch anfechtbar? Wenn ja, welche Partei kann Berufung einlegen?

Siehe die Antwort auf Frage 16.1 oben.

17.3 Was ist der Prüfungsmaßstab des Berufungsgerichts?

Eine Berufung gegen eine strafrechtliche Verurteilung kann mehrere Gründe haben, welche sich sowohl auf das Urteil selbst oder auch auf Fehler des vorangegangenen Verfahrens beziehen, die zur Nichtigkeit führen müssen.  Auch die Frage der Schuld kann grundsätzlich. angefochten werden.  Es ist außerdem auch möglich, die Verurteilung und Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche anzufechten.  Bei Urteilen, an denen Laienrichter mitgewirkt haben, ist eine Anfechtung der Schuldfrage allerdings nicht möglich.

17.4 Welche Möglichkeiten hat das Berufungsgericht, um etwaige Fehler des Erstgerichts zu beheben, wenn es der Berufung stattgibt?

Die Einzelheiten hängen davon ab, welche Gerichte in erster und zweiter Instanz zuständig sind.  Je nach Zuständigkeit des Gerichts kann Folgendes möglich sein:

Das Berufungsgericht kann die angefochtene Entscheidung bestätigen oder das angefochtene Urteil aufheben und die Strafsache an die erste Instanz zurückverweisen.  Dann findet eine neue Verhandlung statt und es ergeht eine neue Entscheidung.  Das Berufungsgericht kann jedoch auch das angefochtene Urteil ändern und möglicherweise von einem Schuldspruch in erster Instanz zu einem Freispruch kommen (oder umgekehrt).

Das Original (in Englisch) können Sie hier abrufen.

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