Haftet ein Produzent von Müsliriegeln für beim Verzehr eintretende Zahnschäden, wenn er nicht ausdrücklich vor sich möglicherweise im Müsliriegel befindlichen Schalenteilen gewarnt hat?
Das österreichische Produkthaftungsgesetz (PHG) regelt die verschuldensunabhängige Haftung des Produzenten für fehlerhafte Produkte. Es haftet grundsätzlich der Unternehmer, der das Produkt hergestellt und in den Verkehr gebracht hat bzw. der Unternehmer, der es zum Vertrieb in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt und hier in den Verkehr gebracht hat (Importeur). Zu haften und Schadenersatz zu leisten ist, wenn durch den Fehler eines Produkts ein Mensch getötet, am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt oder eine von dem Produkt verschiedene körperliche Sache beschädigt wird.
Einer jüngst ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger, ein Konsument, beschädigte sich seine Zähne beim Essen eines Müsliriegels mit den Hauptzutaten Apfel, Marille, Birne & Getreide und klagte den Produzenten gestützt auf das Produkthaftungsgesetz auf Schadenersatz. Eine Warnung, dass sich im Müsliriegel sehr kleine Teile von Mandelschalen (die für die Verletzung des Klägers ursächlich waren) befinden können, war auf dem Müsliriegel nicht angebracht.
§ 5 PHG normiert, dass ein Produkt fehlerhaft ist, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist, besonders angesichts der Darbietung des Produkts, des Gebrauch des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann oder des Zeitpunkts, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden ist.
Der OGH führte in seiner Entscheidung aus, dass Grundvoraussetzung eines jeden Fehlers im Sinne des § 5 PHG die Enttäuschung einer berechtigten Sicherheitserwartung ist. Ausschlaggebend sind nach Ansicht des OGH die berechtigten Sicherheitserwartungen, also ein objektiver Maßstab, dessen Konkretisierung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen ist.
Der OGH schloss sich in seiner Entscheidung der Ansicht der Vorinstanzen an, die so wie er die Auffassung vertraten, dass es der allgemeinen Erfahrung des Konsumenten entspricht, dass in Müsliprodukten, denen eine gewisse Kernigkeit und Stückigkeit immanent ist (im vorzeigenden Fall – wie bereits oben erwähnt – handelte es sich um einen Müsliriegel mit den Hauptzutaten Apfel, Marille, Birne & Getreide), Kern- und Schalenteile enthalten sein können, weil nicht völlig auszuschließen ist, dass beim Schälen von Nüssen oder Mandeln Teile der Schalen am geschälten Teil zurückbleiben können.
Die Vorinstanzen verneinten die Frage, ob den Produzenten der Müsliriegel eine Warnpflicht trifft und er auf die Gefahr, dass in den Müsliriegeln Teile der Schale enthalten sein können, ausdrücklich hinweisen muss. Der OGH sah an dieser Ansicht keine Fehlbeurteilung, die er aufzugreifen hätte, weshalb der Kläger auch in letzter Instanz unterlag. Der Produzent haftete daher in diesem Fall nicht nach dem Produkthaftungsgesetz und der Kläger bekam seinen Schaden nicht ersetzt.
(Entscheidung OGH 3 Ob 107/20m vom 04.11.2020)
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