Haftung eines Supermarkts bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht

Was war passiert?

Im Rahmen von Wartungsarbeiten an den Kühlregalen in einer Supermarktfiliale der Beklagten, ließ der zuständige Monteur ein ungefähr ein Meter langes Abdeckblech auf dem Fliesenboden vor dem Verkaufsregal liegen. Die Klägerin, welche als Kundin in die Filiale kam, trat auf ebengenanntes Blechstück, rutschte aus und erlitt in Folge dessen leichte Verletzungen. Hätte sie vor dem Betreten des Unfallbereichs nicht nur auf das Regal, sondern auch auf den Boden gesehen, hätte die Klägerin das Blech wahrnehmen können – dieses war nämlich aufgrund seiner Farbe deutlich vom Fliesenboden unterscheidbar. Warnschilder, die auf entsprechenden Reparaturarbeiten hinweisen, oder andere Sicherungsmaßnahmen wurden jedoch seitens des Supermarktes nicht ergriffen.

Die Klägerin begehrte daraufhin Schadenersatz, da die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe, indem sie eine leicht vermeidbare Gefahrenquelle geschaffen habe und gem. § 1313a ABGB auch für ihre Erfüllungsgehilfen hafte. Die Beklagte wendete wiederum ein, dass die Klägerin den Unfall allein verschuldete, da sie das leicht erkennbare Hindernis durch Unachtsamkeit übersehen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze mit der Begründung ab, dass für die Klägerin bei entsprechender Aufmerksamkeit erkennbar gewesen wäre, dass in der Filiale Reparaturarbeiten durchgeführt werden, worauf sie reagieren hätte müssen. Von der Beklagten kann nicht verlangt werden, alle möglichen Gefahrenquellen zu beseitigen. Das Erstgericht verneinte somit die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, dass das Klagebegehren zu zwei Drittel zu Recht bestehe. Der Supermarktbetreiber hafte gegenüber Kunden auch für die in seinem Betrieb tätigen Handwerker. Diese hätten aber durch das ungesicherte Liegenlassen des Blechstücks auf dem Gangboden auffallend sorglos gehandelt. Wegen ihrer Unachtsamkeit muss sich die Klägerin allerdings ein Mitverschulden von einem Drittel anrechnen lassen.

Gegen diese Entscheidung erhob die Beklagte (und die Baufirma, die die Reparaturarbeiten durchführte, als Nebenintervenientin) Revision an den OGH mit dem Ziel, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Wie entschied der Oberste Gerichtshof?

Der OGH führt in seiner Entscheidung aus, dass der Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht nach der ständigen Rechtsprechung immer von den Umständen des Einzelfalls abhängt – wesentlich ist dabei, ob eine Gefahr für einen sorgfältigen Menschen erkennbar war und welche Maßnahmen zur Vermeidung dieser Gefahr möglich und zumutbar sind. Im konkreten Fall ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass mit einem herumliegenden Blechstück eine erhebliche Gefahrenquelle geschaffen wird, nicht zu beanstanden. Vielmehr ist erfahrungsgemäß damit zu rechnen, dass Kunden ihre Aufmerksamkeit auf die Regale richten. Auch die Festlegung des Mitverschuldens der Klägerin war laut OGH nicht unangemessen.

Die Revisionen wurden daher als unzulässig zurückgewiesen.

(Entscheidung OGH 8 Ob 78/22m vom 29.06.2022)

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