Verkehrssicherungspflichten bei Überlassung eines Veranstaltungsraumes

Was war geschehen?

Der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr vereinbart mit der beklagten Gemeinde, dass die Feuerwehr in einem der Beklagten gehörenden Veranstaltungszentrum einen Ball ausrichten darf. Nach der in die Vereinbarung aufgenommen Hausordnung der Beklagten soll die Feuerwehr als Veranstalterin für die Organisation und für einen geordneten Ablauf der Veranstaltung verantwortlich sein.

Im Laufe des Balls stürzt der Kläger, ein Ballbesucher welcher auch alkoholische Getränke konsumierte, über eine Stiege und zieht sich dabei schwere Verletzungen zu.

Gang des Verfahrens?

Der Kläger begehrte daraufhin Schadenersatz iHv knapp EUR 60.000,- sowie die Feststellung der Haftung für alle künftigen Schäden und brachte diesbezüglich vor, dass der mangelhafte Zustand der Stiege schon bekannt gewesen und er alleine aufgrund der schadhaften Stufe – nicht aber wegen seines Alkoholkonsums – gestürzt sei. Die Beklagte wendete mangelnde Passivlegitimation ein, da sie zum Kläger in keinem Vertragsverhältnis gestanden sei. Vielmehr hätte die Freiwillige Feuerwehr die Verkehrssicherungspflichten wahrnehmen müssen.

Das Erstgericht wies das Begehren mit der Begründung ab, dass kein Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen bestanden hätte und daher seitens der Gemeinde auch keine Verkehrssicherungspflichten bestehen. Inhaberin der Räume und der Stiege zum Unfallszeitpunkt war die Freiwillige Feuerwehr.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichts jedoch mit der Begründung auf, dass die Gemeinde durch Überlassung des Hauses für die Veranstaltung einen eingeschränkten Verkehr eröffnet habe. Zudem sprach es aus, dass der Rekurs an den OGH zur Frage, ob trotz Überlassen des Gebäudes an eine Dritten Verkehrssicherungspflichten aufrecht bleiben, zulässig ist.

Gegen diese Entscheidung erhob die Beklagte Rekurs an den OGH und beantragte die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils.

Wie entschied der OGH?

Der OGH wies den Rekurs jedoch mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage mitsamt einem Verweis auf die umfangreiche Judikatur zum Vorliegen von Verkehrssicherungspflichten zurück.

Dazu führte der OGH aus, dass Verkehrssicherungspflichten nach herrschender Ansicht nicht nur dann bestehen, wenn bewusst ein Verkehr eröffnet wird, sondern schon dann, wenn der Verkehr bloß geduldet wird. Derjenige der eine seiner Verfügung unterliegende Anlage einem Personenkreis eröffnet, muss die Anlage in einem verkehrssicheren und gefahrlosen Zustand erhalten und vor erkennbaren Gefahren schützten. Dabei treffen die Verkehrssicherungspflichten denjenigen, der die entsprechenden Vorkehrungen treffen kann – es kommt also auf die Gefahrenbeherrschung an. Im konkreten Fall war die Verantwortlichkeit für die schadhafte Stiege und damit einem Baumangel der Gemeinde zuzurechnen.

Der OGH wertete auch die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach durch die Bestimmungen der Hausordnung keine vertragliche Übertragung sämtlicher Verkehrssicherungspflichten erfolgt ist, als nicht korrekturbedürftig. Eine Übertragung der Haftung für allfällige Gebäudeschäden durch die Hausordnung steht mit den Grundsätzen der Vertragsauslegung nicht im Einklang.

(Entscheidung 3 Ob 218/22p vom 15.03.2023)

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