Was war passiert?
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind seit mehreren Jahren in einer Beziehung und seit August 2019 auch verheiratet. Am 21. Juli 2022 teilt die Antragstellerin ihrem Ehemann jedoch ihre Trennungsabsicht mit. Seit diesem Zeitpunkt fühlt sie sich von diesem verfolgt und beobachtet – so weiß der Antragsgegner etwa Dinge aus ihrem Leben, die er gar nicht wissen kann. Er sagt, er hätte über Dritte davon erfahren.
Im Laufe der folgenden Monate findet die Antragstellerin im ehelichen Wohnhaus eine versteckte Videokamera sowie auch Fotoausdrucke ihrer Smartphonedateien (Anruflisten, Kontaktdaten) in der Tasche des Antragsgegners, ohne dass sie ihm je erlaubt hätte, diese anzufertigen. Zudem findet sie auch eine Rechnung für zwei Überwachungskameras mitsamt vier SD-Karten. Durch den Fund alarmiert, sucht die Antragstellerin sodann nach weiteren Überwachungsmitteln und wird dabei auch – in Form eines Peilsenders im Kofferraum ihres PKW – fündig. Nach Aufsuchen der Polizei, verhängt diese am 10. September 2022 ein Betretungsverbot für das Wohnhaus und spricht ein Annäherungsverbot aus. Einen Tag später findet die Antragstellerin zudem einen Videorecorder, welcher unter dem Radio ihres Pkw montiert wurde.
Der Antragsgegner montierte diese technischen Mittel, um die Antragstellerin zu überwachen und einen Beweis für ein vermeintliches außereheliches Verhältnis der Antragstellerin zu gewinnen, den er in einem Scheidungsverfahren verwenden wollte.
Die Antragstellerin litt unter Angst vor dem Antragsgegner, durchlief eine mittelgradige depressive Episode und erlitt auch Panikattacken.
Das Erstgericht erließ die von der Antragstellerin beantragte einstweilige Verfügung und verbot dem Antragsgegner den Aufenthalt in der bisherigen Ehewohnung und dessen unmittelbarer Umgebung, die persönliche Kontaktaufnahme und Verfolgung der Antragstellerin, insbesondere durch technische Mittel sowie die briefliche, telefonische oder sonstige Kontaktaufnahme. Der Widerspruch des Antragsgegners wurde abgewiesen.
Auch das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners keine Folge.
Gegen diese Entscheidung erhob der Antragsgegner außerordentlichen Revisionsrekurs an den OGH.
Wie entschied der OGH?
Der OGH sah die Voraussetzungen für den außerordentlichen Revisionsrekurs nicht als gegeben an und wies das Rechtsmittel daher zurück.
Konkret führt er rechtlich dazu aus, dass bei Eingriffen in die Privatsphäre, der Verletzer die Behauptungs- und Beweislast dafür trägt, dass er in Verfolgung eines berechtigten Interesses handelt und die Maßnahme zur Erreichung des Zwecks geeignet bzw. das gelindeste Mittel war. Im vorliegenden Fall setzte der Antragsgegner durch das Montieren der Überwachungsmittel Handlungen, die eine möglichst lückenlose Überwachung bewirken sollten. Entgegen der Ansicht des Antragsstellers sind diese Maßnahmen auch nicht mit dem Engagieren eines Privatdetektivs vergleichbar. Hinzu kommt auch, dass die Überwachungsmaßnahme lediglich auf einer reinen Vermutung des Antragsgegners, wonach seine Ehefrau die Ehe gebrochen hätte, beruhten.
Mit Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung führte der OGH zudem aus, dass es sich beim Verhalten des Antragsgegners um schwerwiegende Vertrauensbrüche und unerträgliche Eingriffe in die Privatsphäre handelt, die auch im Rahmen eines anhängigen Scheidungsverfahrens keinesfalls zu tolerieren sind und damit der Antragstellerin das weitere Zusammenleben unzumutbar machen.
Im Ergebnis war die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach sowohl die Voraussetzungen nach § 382d EO (Anti-Stalking) als auch aufgrund des Umstands, dass die Antragstellerin durch die systematischen Überwachungsmaßnahmen eine mittelgradige depressive Episode durchlief und Panikattacken erlitt, jene nach § 382c EO (Allgemeiner Schutz vor Gewalt), nicht korrekturbedürftig.
(Entscheidung OGH 7 Ob 38/23y vom 22.03.2023)
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