Zur Zulässigkeit des Filmens einer Auseinandersetzung

Ist es zulässig während eines Streites diesen zu Beweissicherungszwecken zu filmen?

Der Oberste Gerichtshof (OGH) setzte sich in einer im Mai 2020 ergangenen Entscheidung mit dieser Frage auseinander.

Der Entscheidung des OGH lag (verkürzt) der folgende Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin hat eine gemeinsame Tochter mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten. Als der Exlebensgefährte eine neue Beziehung eingegangen und die Klägerin davon erfuhr, entwickelten sich gerichtliche Auseinandersetzungen. Neben Zivilverfahren kam es auch zu Strafverfahren. Der Klägerin wurde beispielsweise in einem (noch nicht beendeten) Strafverfahren vorgeworfen, durch einen Fußtritt den PKW der Gesellschaft, deren Geschäftsführer ihr Exlebensgefährte ist, beschädigt zu haben. Ein weiteres Strafverfahren gegen die Klägerin wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung wurde rechtskräftig durch Zahlung einer Geldbuße und Zahlung einer Schadensgutmachung an das Opfer beendet (Diversion). Beim Opfer handelte es sich um die nunmehrige Freundin des Exlebensgefährten der Klägerin. Die eingangs erwähnte gemeinsame Tochter verbringt vereinbarungsgemäß gewisse Wochenenden beim Exlebensgefährten der Klägerin. Einen dieser Tage verbachte die Tochter in einem Vereinslokal, anfangs gemeinsam mit ihrem Vater, dem Exlebensgefährten der Klägerin. Da sich der Exlebensgefährte der Klägerin krank fühlte, verließ er vorzeitig das Vereinslokal und ersuchte in weiterer Folge seine nunmehrige Freundin seine Tochter abzuholen. Die Freundin stimmte zu und wurde von der Beklagten, die die Nichte des Exlebensgefährten der Klägerin ist, sowie seiner Schwester (die Mutter der Nichte) begleitet. Beim Eintreffen der Beklagten, der Freundin und der Schwester des Exlebensgefährten am Parkplatz des Vereinslokals, war auch die Klägerin vor Ort. Sofort nach Eintreffen der drei Genannten, stürmte die Klägerin aufgebracht auf diese zu, schrie die Freundin ihres Exlebensgefährten an und beschimpfte sie. Im weiteren Verlauf kam es auch zu einem körperlichen Übergriff auf die Freundin. Die Beklagte begann nun die wüsten Beschimpfungen der Klägerin in einem Video festzuhalten. Dieses Video wurde in weiterer Folge in einem der bereits erwähnten Strafverfahren vorgeführt und ebenso in einem von der Freundin des Exlebensgefährten der Klägerin angestrengten Unterlassungsprozess. Die Klägerin sprach sich in keinem dieser Verfahren gegen die Vorführung des Videos aus.

Die Klägerin begehrte in ihrer Klage die Verurteilung der Beklagten dazu, es zu unterlassen, Bild- und/oder Tonaufnahmen und/oder Videoaufnahmen von ihr anzufertigen, weiters es zu unterlassen, die bereits angefertigte Videoaufnahme zu verbreiten sowie diese Videoaufnahme auf sämtlichen Geräten und Speichermedien zu löschen. Sie stützte ihr Unterlassungsbegehren insbesondere auf § 16 ABGB („allgemeines Persönlichkeitsrecht“), das Urheberechtsgesetz (UrhG), Art 8 EMRK („Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens“) sowie das Datenschutzgesetz (DSG). Die Beklagte wendete ein, dass sie das Video zu Beweiszwecken angefertigt hätte, und dass noch mehrere Verfahren gegen die Klägerin anhängig wären und das Video daher weiterhin für eine allfällige Beweiswiederholung notwendig sei.

Während das Erstgericht das Klagebegehren abwies, gab das Berufungsgericht dem Klagebegehren statt.

Der OGH gab dem dagegen erhobenen Rechtsmittel Folge und stellte das abweisende erstgerichtliche Urteil wieder her.

Der OGH begründet seine Entscheidung zusammengefasst wie folgt:

  • Zum Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Anfertigung des Videos

Der OGH stellt klar, dass das Filmen einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Klägerin darstellt. Durch eine umfassende Interessenabwägung ist zu ermitteln, ob der Eingriff gerechtfertigt ist. Entscheidend für die Beurteilung des OGH im vorliegenden Fall war unter anderem, dass die Klägerin bereist vor dem Beginn der Videoaufnahme verbal ausfällig und auch körperlich übergriffig wurde. Ein solches Verhalten ist geeignet sowohl zivil- als auch strafrechtliche Folgen auszulösen (wie es ja auch im vorliegenden Fall letztlich geschehen ist). Daher erfolgte die Aufnahme der Beklagten nicht bloß prophylaktisch ohne Anlass. Der höchstpersönliche Lebensbereich der Klägerin wurde laut OGH nicht berührt, weil sich die gefilmte Szene vor dem Vereinslokal und sohin nicht in einem privaten Bereich abspielte. Auch das Argument, dass das Filmen nicht das schonendste Mittel zur Erreichung des Beweiszwecks darstellen würde – immerhin gab es auch Augenzeugen des Vorfalls – wies der OGH zurück. Es entspricht nach Ansicht des OGH der Lebenserfahrung, dass es in einem Gerichtsverfahren zu einer „Aussage gegen Aussage“ Situation kommen kann und oftmals der Beweis misslingt. Dazu kommt im gegenständlichen Fall noch, dass es sich um keine unbeteiligten Zeuginnen handelte, sondern um der Freundin des Exlebensgefährten nahestehende Zeuginnen. Daher kann es nach Ansicht des OGH keinen Zweifel geben, dass die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran hat, nach einem erfolgten körperlichen Angriff die Beschimpfungen der Klägerin schon zu Beweiszwecken festzuhalten. Das Interesse der Beklagten, die schwerwiegenden Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechtes abzuwehren und zu dokumentieren überwiegt daher  nach Ansicht des OGH deutlich dem allfälligen Interesse der Klägerin (das im Wesentlichen nur darin bestehen könnte, dass ihre Beschimpfungen unbewiesen bleiben würden).

Im Ergebnis war daher die Beklagte zur Anfertigung der Videoaufnahme berechtigt.

  • Zum Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Weitergabe bzw das Verwenden des Videos

Die Veröffentlichung und Verbreitung von Bildnissen ist nach § 78 UrhG („Bildnisschutz“) zu beurteilen. Im vorliegenden Fall sieht der OGH kein rechtswidriges Verhalten der Beklagten in der Weitergabe des Videos an die Polizei. Die Beklagte wurde sogar explizit von einem Polizeibeamten darauf hingewiesen, das Video aus Beweisgründen nicht zu löschen, Die Klägerin sprach sich auch in keinem Verfahren gegen das Abspielen des Videos aus und bezeichnete sogar einmal das Video als „mein Beweis“. Auch in der Weitergabe an den Exlebensgefährten der Klägerin erblickt der OGH kein rechtswidriges Verhalten der Beklagten. Die Weitergabe an ihn ist aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung gerechtfertigt. Der Exlebensgefährte hat als Vater in jedem Fall das Recht Umstände zu erfahren, die für das Wohl seiner Tochter bedeutsam sind. Nicht zuletzt handelt es sich bei den im Video dokumentierten Verhaltensweisen der Klägerin um Umstände, die allenfalls in weiterer Folge für Regelungen zur Obsorge oder des Kontaktrechts bedeutsam sein können. Eine Veröffentlichung im Internet etc. nahm die Beklagte nicht vor, auch eine Weitergabe an sonstige Dritte wurde nicht behauptet. Die nur theoretisch bestehende Möglichkeit der Begehung reicht nicht aus.

Im Ergebnis war daher auch das Unterlassungsbegehren hinsichtlich Weitergabe und Verwenden des Videos unberechtigt.

  • Zum Löschungsbegehren

Einem Verletzten steht bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein Unterlassungsanspruch und – wenn bereits ein Verstoß erfolgt ist – ein Beseitigungs-, (Vernichtungs-)anspruch zu. Wie bereits ausgeführt, kam im vorliegenden Fall der OGH zum Ergebnis, dass die Anfertigung des Videos gerechtfertigt war. Daraus kann laut Ansicht des OGH aber nicht abgeleitet werden, dass eine dauerhafte Aufbewahrung des Videos gerechtfertigt wäre. Der OGH verweist in seiner rechtlichen Beurteilung auf eine andere OGH Entscheidung, in der der Beklagte zur Löschung der Daten verpflichtet wurde. In diesem Verfahren war der Zweck für die Beweissicherung bereits erfüllt und weitere Gründe für die Aufbewahrung der Daten konnte der dortige Beklagte nicht nennen. Im vorliegen Fall ist aber ein Zivilverfahren gegen die Klägerin noch nicht rechtskräftig beendet und die Beklagte hat sich auf eine allfällige noch bestehende Möglichkeit der Verwendung des Videos gestützt. Daher kann im vorliegenden Fall (noch) nicht die Rede davon sein, dass das Video für den Zweck, für den es erstellt wurde, nicht mehr benötigt werden würde.

Im Ergebnis bestand daher der Löschungsanspruch zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht zu Recht.

(Entscheidung OGH 6 Ob 206/19s vom 20.05.2020)

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