Die Schenkungsabsicht im Pflichtteilsrecht

Rechtsanwalt, Inhaber der Kanzlei IBESICH

Was war geschehen?

Der Erblasser übergab 1997 gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Weinbaubetrieb an einen der Söhne, den Beklagten. Die Übergabe erfolgte im Rahmen eines Vertrages, der mehrere Gegenleistungen des Beklagten vorsah. Dazu zählten die Übernahme von Kreditverbindlichkeiten, die Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts für die Übergeber, jährliche Weinlieferungen und monatliche Unterhaltszahlungen. Der Verkehrswert des Weinbaubetriebs belief sich zum Zeitpunkt der Übergabe auf etwa 573.810 EUR, während die Gegenleistungen auf 124.500 EUR geschätzt wurden. Die Kläger, die beiden anderen Kinder des Erblassers, argumentierten, dass die Übergabe eine „gemischte Schenkung“ darstelle, da ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem Wert des übertragenen Unternehmens und den vereinbarten Gegenleistungen bestünde. Sie forderten daher die Hinzurechnung dieses Vermögens zum Nachlass und eine Anpassung ihrer Pflichtteilsansprüche.

Das Erstgericht wies die Klage ab, da es keine ausreichenden Hinweise auf eine Schenkungsabsicht des Erblassers feststellen konnte. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und stellte fest, dass die Beweislast für das Vorliegen einer Schenkungsabsicht vollständig bei den Klägern liege. Gegen diese Entscheidungen richteten die Kläger eine außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof.

 

Wie entschied der OGH?

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger Folge und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Er stellte klar, dass in Fällen eines objektiv krassen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung eine Schenkungsabsicht vermutet werden kann, sofern keine anderen Umstände dagegensprechen. Der OGH betonte, dass im Pflichtteilsrecht eine Hinzurechnung von Zuwendungen nicht allein an formalen Kriterien scheitern dürfe, sondern auch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise entscheidend sei.
Der OGH führte aus, dass die Feststellung einer Schenkungsabsicht eine detaillierte Analyse der Umstände des Einzelfalls erfordert. Hierbei könne ein erhebliches Missverhältnis als Indiz für eine unentgeltliche Zuwendung dienen. Gleichzeitig sei aber auch die Möglichkeit des Beklagten zu berücksichtigen, diesen Anschein durch Gegenbeweise zu entkräften. Eine einfache Beweislastumkehr zugunsten der Kläger sei jedoch nicht gerechtfertigt. Außerdem wurde festgestellt, dass der Auffangtatbestand des § 781 Abs 2 Z 6 ABGB – der unentgeltliche Zuwendungen ohne Schenkungsabsicht umfasst – nicht zur Anwendung kommt, wenn die Zuwendung bereits die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Schenkung nach § 781 Abs 1 ABGB erfüllen könnte.
Zusätzlich hob der OGH hervor, dass die Frage der Schenkungsabsicht eine umfassende Tatsachenprüfung voraussetze. Diese müsse insbesondere das Verhältnis zwischen den wirtschaftlichen Werten von Leistung und Gegenleistung sowie die Absichten der Vertragsparteien umfassen. Aufgrund unzureichender Feststellungen in den Vorinstanzen wurde das Verfahren an das Erstgericht zurückverwiesen, um diese offenen Fragen zu klären.
Zusammenfassend stellte der OGH fest, dass eine „gemischte Schenkung“ im Sinne des § 781 ABGB vorliegen kann, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen den übertragenen Vermögenswerten und den erbrachten Gegenleistungen besteht. Ob dies im konkreten Fall zutrifft, bleibt der Entscheidung des Erstgerichts vorbehalten.

(Entscheidung 2 Ob 248/23v vom 19.11.2024)

 

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