Kürzlich entschied der Oberste Gerichtshof (OGH), dass ein flüchtender Täter einem Polizisten, der sich beim Verfolgen des Täters verletzte, Schadenersatz zu leisten hat.
Was war passiert?
Im Zuge einer Polizeikontrolle während der Covid-19-Pandemie bedingten „Ausganssperre“, kontrollierten Polizeibeamte eine Gruppe von Personen. Eine Person (der Beklagte) begann sich zuerst wegzubewegen, blieb dann jedoch stehen und kam zurück. Ein Polizist (der Kläger) entdeckte unter dem Auto der kontrollierten Personen einen Beutel Cannabis. Daraufhin wurde die Identität der drei Personen festgestellt und die Personen abgetastet. Beim Abtasten des Beklagten wurde ein harter Gegenstand ertastet, woraufhin diese Person plötzlich begann davonzulaufen. Der Kläger nahm die Verfolgung auf. Der Beklagte rechnete damit, verfolgt zu werden. Im Zuge der Verfolgung warf der Beklagte ein Päckchen Kokain weg. In weiterer Folge kam der Kläger zu Sturz, da er ein ausgeschwemmtes Loch auf einer Schotterstraße übersah. Im Zuge des Sturzes zog sich der Kläger Verletzungen zu. Nachdem ein Kollege des Klägers den Beklagten eingeholt hatte, gab der Beklagte seine Flucht auf.
Der Kläger begehrte Ersatz für die durch den Sturz entstandene Schäden und die Feststellung der Haftung des Beklagten für daraus resultierende Schäden.
Wie entschieden die Gerichte?
Während das Erstgericht dem Zahlungsbegehren dem Grunde nach statt gab, wies das Berufungsgericht in Stattgebung des gegen das erstinstanzliche Urteil erhobene Rechtsmittels das Zahlungsbegehren ab.
Der OGH sah die dagegen erhobene Revision des Klägers als zulässig und berechtigt an.
Der OGH führt in seiner Begründung zwar aus, dass nicht jede Flucht eine Haftung des Flüchtenden gegenüber dem ihn verfolgenden Polizisten auslöst, hier im konkreten Fall aber schon. Dies deshalb, weil der Polizist den berechtigten Verdacht hatte, dass der Flüchtende eine Straftat begangen hatte (Päckchen Cannabis gefunden, beim Abtasten harten Gegenstand gespürt). Durch die plötzliche Flucht war die Verfolgung durch die Polizei erforderlich und der Kläger aufgrund seiner polizeilichen Einsatzpflicht dazu auch verpflichtet. Die daraufhin entstandene Verfolgung, bei der der Kläger sich auf unterschiedlichem Untergrund bewegen musste, ist nicht mit einem „normalen Trainingslauf“ zu vergleichen, so der OGH. Der OGH führt weiters aus, dass es einem einer Straftat Verdächtigen an einem allgemein anerkannten Interesse an einer Flucht fehlt. Dies deshalb, weil die Allgemeinheit ein solches Verhalten missbilligt. Ob es ein Recht auf Flucht gibt, ist unerheblich, da man aus einem Recht sich nicht selbst zu belasten keinesfalls ableiten könne, dass man Polizisten zu einer gefährlichen Verfolgungsjagd animieren dürfe, so der OGH abschließend.
Im Ergebnis musste daher in diesem konkreten Fall der Kläger die Schäden des Beklagten ersetzen.
(Entscheidung OGH 1 Ob 158/21y vom 07.09.2021)
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