Der Obersten Gerichtshof (OGH) setzte sich in einer kürzlich ergangenen Entscheidung mit Fragen zur Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes auseinander.
Der Vater eines minderjährigen Kindes beantragte die Enthebung der Verpflichtung zur Leistung eines monatlichen Unterhalts und brachte vor, dass sein Kind bereits selbsterhaltungsfähig sei und daher keinen Anspruch auf Unterhalt mehr hätte.
Das Erstgericht setzte zwar den zu leistenden Unterhalt leicht herab, den Antrag des Vaters, ihn von der Verpflichtung gänzlich zu entheben, wies es jedoch ab. Das zweitinstanzliche Gericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte aus, dass bei der Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit unter anderem zu berücksichtigen sei, dass sich im Bemessungszeitraum die Lage am Arbeitsmarkt wegen der COVID 19-Pandemie verschärft hätte und aufgrund der in dieser Zeit herrschenden Verhältnissen einem Minderjährigen ein längerer Zeitraum eingeräumt werden müsse, um eine Lehrstelle zu finden. Der OGH wies das gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Rechtsmittel zurück und führte aus, dass eine fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit dann anzunehmen ist, wenn das unterhaltsberechtigte Kind nach dem Ende des Pflichtschulalters keine weitere zielstrebige Schulausbildung, Berufsausbildung oder Erwerbstätigkeit betreibt, die unterhaltsberechtigte Person also arbeitsunwillig und ausbildungsunwillig ist, ohne dass ihr aus Gründen von Krankheit oder Entwicklung die Fähigkeiten fehlen würden, für sich selbst aufzukommen. Eine Voraussetzung für die fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit ist aber, dass das Kind ein Verschulden am Scheitern einer angemessenen Ausbildung oder Berufsausübung trifft, so der OGH weiter. Dies war nicht der Fall.
Der Vater muss daher im Ergebnis seinem Kind weiterhin Unterhalt bezahlen.
(Entscheidung OGH 5 Ob 225/20d vom 13.04.2021)
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