Was war passiert?
Der Kläger wurde im Rahmen einer Operation im Krankenhaus des beklagten Gemeindeverbandes geschädigt, indem ein Nerv durchtrennt wurde, wodurch der Kläger einen Zwerchfellhochstand erlitt. In einem Vorverfahren wurde bereits festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger für alle zukünftigen Folgen und Schäden aus dieser Operation haftet. Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens war das Begehren auf Ersatz des Verdienstentgangs, wobei der Kläger für den Zeitraum zwischen September 2016 und August 2020 arbeitslos war und – neben anderen unstrittigen Einkünften – auch eine Notstandshilfeleistung iHv EUR 18.532,- bezog.
Die beklagte Partei wandte diesbezüglich ein, dass auch die Notstandshilfe als Einkommen des Klägers zu betrachten und somit auf den Verdienstentgang anzurechnen sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren anschließend lediglich teilweise statt und vertrat die Ansicht, dass – entgegen der bisherigen Rechtsprechung – eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe nicht angebracht sei. So müssen sich Geschädigte in solchen Situationen das Arbeitslosengeld anrechnen lassen – nicht aber die Notstandshilfe. Folglich reduzierte das Erstgericht die Entschädigung.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers allerdings Folge und änderte die Entscheidung dahingehend ab, dass dem Klagebegehren gänzlich stattzugeben ist. Das Gericht führte hierzu unter anderem aus, dass die Notstandshilfe kein Erwerbseinkommen, sondern eine soziale Wohlfahrtsleistung darstelle, mit dem Ziel eine ansonsten bestehende Notlage zu vermeiden. Sinn und Zweck der Notstandshilfe ist es jedenfalls nicht, den Schädiger zu entlasten. Somit bestehe kein Anlass von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen und eine Anrechnung der Notstandshilfe auf Verdienstentgangsansprüche abzulehnen.
Dagegen erhob der Beklagte Revision an den OGH und begehrte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Wie entschied der Oberste Gerichtshof?
Der OGH bestätigte die Einschätzung des Berufungsgerichts mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung. So führte er dazu näher aus, dass es sich dabei um einen Vorteil handle, der dem Berechtigten – wie auch andere gutgläubig verbrauchte Leistungen mit Unterhaltscharakter – aus sozialen Erwägungen gewährt wird, ohne dass der Schädiger in seiner Ersatzpflicht entlastet werden soll. Von einem gutgläubigen Verbrauch ist deshalb auszugehen, weil die Notstandhilfe ja eine Notlage des Betroffenen voraussetzt, dieser das Geld also in der Regel auch verwenden muss.
Der OGH führte außerdem an, dass, sofern der Schädiger seiner Ersatzpflicht zeitgleich zum Entgang des Verdiensts nachkommen würde (und nicht erst nach langem prozessieren), würde der anspruchsbegründende Notstand gar nicht erst eintreten. Somit stellt sich die Fragen nach einem Doppelbezug aus Notstandshilfe und Ersatz des Verdienstentgangs gar nicht.
Eine Vorteilsanrechnung ist aus den genannten Gründen daher ausgeschlossen. Der Revision wurde somit nicht Folge gegeben.
(Entscheidung OGH 8 Ob 104/21h vom 18.07.2022)
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