Was war passiert?
Der 2018 verstorbene Erblasser hinterlässt mehrere letztwillige Verfügungen. Dabei erklärt er in einem eigenhändigen Testament aus dem Jahr 1978 im Zusammenhang mit einer Ergänzung aus 2001 seine (2010 verstorbene) Ehefrau zu Alleinerbin. Für den Fall des Vorversterbens der Ehefrau setzt er seinen Schwager (Erstantragsteller) als alleinigen Ersatzerben ein. 2018 unterfertigt der Erblasser ein fremdhändiges Testament, mit dem er sämtliche vorherigen Verfügungen widerruft und die Zweit- bis Zehntantragsteller zu gleichen Teilen zu Erben einsetzt. Besagtes fremdhändiges Testament wird am entsprechenden Tag von einem Notar im Rahmen eines Hausbesuchs beim Erblasser als Testamentsentwurf mitgenommen und besteht aus zwei losen computergeschriebenen Blättern.
Der letzte Absatz auf der Rückseite des ersten Blatts lautet:
„Vorstehendes Testament, welches mir in gleichzeitiger und ununterbrochener Gegenwart der drei ersuchten Zeugen […] des letzten Willens vorgelesen wurde, habe ich meinem letzten Willen entsprechend vollinhalt-“
Auf dem zweiten Blatt wird der Text wie folgt fortgesetzt:
„lich anerkannt und sodann eigenhändig vor ihnen und unter deren Mitfertigung unterschrieben.“
Anschließend folgt die Angabe über Ort und Datum, sowie die Unterschrift des Erblassers und der drei erforderlichen Testamentszeugen samt handschriftlichem Zeugenzusatz. Nach Unterfertigung werden die beiden losen Blätter des Originaltestaments zu einem späteren Zeitpunkt im Notariat mit einer sogenannten „Bundesschnur“ zusammengenäht und das Ende der Schnur mit einer Klebevignette – allerdings ohne Stampiglie des Notars – angeklebt.
In Folge des daraufhin entstandenen Erbstreits stellten die Vorinstanzen das Erbrecht der Zweit- bis Zehnantragsteller je zu einem Neuntel fest und wiesen die Erbantrittserklärung des Erstantragstellers ab. Zwar verneinten die Instanzen das Vorliegen einer äußeren Urkundeneinheit, bejahten allerdings eine innere Urkundeneinheit, da bei einem fortlaufenden Text ein ausreichend enger inhaltlicher Zusammenhang vorliege.
Dagegen erhob der Erstantragsteller Revisionsrekurs an den OGH, mit dem Antrag, sein Erbrecht festzustellen und die Erbantrittserklärungen der anderen Antragsteller abzuweisen. Die Zweit- bis Zehntantragsteller beantragten hingegen die Zurückweisung des Revisionsrekurs bzw. ihm nicht Folge zu geben.
Wie entschied der Oberste Gerichtshof?
Hierzu führte der OGH aus, dass die bisherige Rechtsprechung für die Bejahung der Formgültigkeit eines aus mehreren Blättern bestehenden fremdhändigen Testaments entweder das Vorliegen einer äußeren oder einer inneren Urkundeneinheit verlange. Dabei liege ein äußerer Zusammenhang nur dann vor, wenn die äußere Urkundeneinheit entweder vor der Leistung der Unterschriften oder während des Testiervorgangs hergestellt wurde, indem die einzelnen Bestandteile der Urkunde (also die losen Blätter) so fest miteinander verbunden werden, dass die Urkunde nur durch Zerstörung oder Beschädigung gelöst werden kann (zB Binden oder Nähen der Urkundenteile). Für eine innere Urkundeneinheit komme nach der Rechtsprechung neben der Fortsetzung des Textes auch ein – vom Testator unterfertigter – Vermerk auf dem zusätzlichen Blatt mit Bezugnahme auf seine letztwillige Verfügung in Betracht.
Da das Kriterium der „Fortsetzung des Texts“ in den bisherigen Entscheidungen des OGH allerdings noch nie die tragende Begründung für die Entscheidung über die Formgültigkeit des Testaments war, wurde nun der betreffende Fall zum Anlass genommen, die diesbezügliche Rechtsprechung neuerlich zu prüfen. Dabei kam der OGH zu dem Ergebnis, dass die bloße Fortsetzung des Texts bei einer computergeschriebenen fremdhändigen letztwilligen Verfügung zur Herstellung einer inneren Urkundeneinheit nicht ausreichend sei. Begründet wurde dies insbesondere im Hinblick auf die fehlende Fälschungssicherheit bei computergeschriebenen Testamente. Darüber hinaus hinge die Gültigkeit des Testaments außerdem von der Zufälligkeit ab, ob das erste lose Blatt mit einem vollständigen Satz abschließe oder sich ein Satz über die losen Blätter fortsetzt.
Dem Revisionsrekurs des Erstantragstellers wurde somit Folge gegeben und dessen Erbrecht aufgrund des Testaments von 1978 und dessen Ergänzung von 2001 zum gesamten Nachlass festgestellt.
(Entscheidung OGH 2 Ob 29/22m vom 26.04.2022)
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